In diesem Blogbeitrag ziehen wir zum Ende des Jahres 2024 Bilanz zur diesjährigen Weinbausaison und geben einen Einblick in die aktuellen Ergebnisse aus Wasserstresssimulationen und Klimabeobachtungen für verschiedene Bereiche innerhalb unseres Versuchsweinbergs in Seußlitz. Auf diesem Weinberg des Weingut Schloss Proschwitz wird seit einigen Jahren sehr detailliert das Mikroklima gemessen und Modelle und Sensorik auf Herz und Nieren getestet. Mit diesen Messungen konnte der Spätfrost gemessen werden, der die vergangene Weinbausaison stark geprägt hat. Wir betrachten dies zusammen mit vereinzeltem Trockenstress und stellen Bezug zu den Erträgen aus der diesjährigen Riesling-Weinlese her. Final wollen wir damit schlussfolgern, welches Klimaereignis die Weinstöcke in diesem Jahr am stärksten geprägt hat und wir diskutieren auch die mögliche Auswirkung des Krankheitsdrucks im Weinberg.
Von Martin Kobe, Hannah Boedeker, Rikard Graß und Hannes Mollenhauer




Ausgangspunkt
In Seußlitz waren die Auswirkungen von Trockenstress auf die Reben und deren Erträge in den letzten Jahren sowohl im Weinberg als auch in den aufgenommenen Daten deutlich sichtbar. Im Jahr 2024 fiel der Gesamtertrag trotz höherer Wasserverfügbarkeit über die Vegetationsperiode hinweg besonders gering aus. Keine Frage: Trockenstress und Spätfrost wirken sich auf den Ertrag aus. Aber wie bedeutsam war der Spätfrost im April? Wirkt sich auch dieses Extremereignis, so wie der Trockenstress zuvor, unterschiedlich in den Managementzonen aus? Und welche Rolle spielt Krankheitsdruck?
Trockenstress über die Jahre 2022 bis 2024
Trockenstress war als Auswirkung zunehmenden Wassermangels während der Wachstumsperiode von Weinreben besonders in den Jahren 2018-2022 im Weinberg Seußlitz zu beobachten. Zur Erläuterung der Begriffe: Mit Trockenstress wird die (Stress)Reaktion der Pflanze auf Wassermangel bezeichnet. Wir nutzen in diesem Beitrag aber auch den Begriff Wasserstress, der sich auf die (mangelhafte) Wasserverfügbarkeit im Boden bezieht.
Es ist bekannt, dass es in den verschiedenen Managementzonen (MZ) des Weinhangs unterschiedliche Charakteristika in den Bodeneigenschaften, der Hangneigung und seiner Ausrichtung gibt, welche die lokale Wasserverfügbarkeit und damit den Trockenstress maßgeblich beeinflussen. Das im Zuge unserer Wasserhaushaltsmodellierung (nach Hofmann et al., 2014) erfasste frühmorgendliche Wasserpotential im durchwurzelten Boden (Ψpd) zeigt deutlich, dass die Zeitpunkte, in denen die Reben moderatem bis starkem Wasserstress ausgesetzt sind (Grenzwerte bei Weinreben: Deloire et al., 2020), über die MZ hinweg stark variieren können (Abb.1). Für das Jahr 2022 kristallisieren sich hier beispielsweise zwei Gruppen an MZ heraus. In Abb.1a ist deutlich erkennbar, dass MZ1 und MZ2 die Grenzwerte für z.B. moderaten Wasserstress etwa zwei bis drei Wochen später überschreiten als MZ4 und MZ5, welche 2022 schon Mitte Juli in Stresszustand eingetreten sind. Mit Blick auf die in Seußlitz langjährig beobachteten durchschnittlichen Zeiträume für die BBCH-Makrostadien 7 (Fruchtentwicklung, grünes Band) und 8 (Fruchtreife, blaues Band) erfolgt hier Ende Juli der vollständige Traubenschluss. Da MZ1 und MZ2 erst nach Beendigung der Fruchtentwicklung in einen moderaten Wasserstress eintreten, stellt sich die Frage, ob mit Unterschieden im Ernteertrag zwischen den MZ-Gruppen zu rechnen ist. MZ3 hingegen ist durch fruchtbaren Lössboden mit guter Wasserhaltekapazität gekennzeichnet und weist ganzjährig eine optimale Wasserverfügbarkeit auf. Spiegelt sich das auch in den Erträgen wieder? Diesen Fragen widmen wir uns im Folgenden.
Ein direkter Vergleich von Ψpd in MZ1 und MZ4, jeweils für die Jahre 2022-2024, stützt die vorher angesprochene Beobachtung – die Kurvenverläufe zeigen, dass sich Wasserverfügbarkeiten gleichzeitig ändern, aber unterschiedliche Amplituden bzw. Intensitäten haben (Abb.1b). Perioden mit rückläufigem Trockenstress gehen mit gemessenen Niederschlägen einher, da die Modellierung auf diesen Ereignissen aufbaut. Die Standortmittelwerte der dafür genutzten Daten wurden mit Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) verglichen, um örtliche Sensorfehlfunktionen auszuschließen. In den Jahren 2023 und 2024 war deutlich mehr pflanzenverfügbares Bodenwasser während Wachstums- und Reifezeit der Trauben vorhanden, als im Trockenstressjahr 2022. Angesichts der gezeigten Daten wären für 2023 und 2024 höhere Ernteerträge im Vergleich zu 2022 erwartbar. Allerdings werden wir im folgenden Abschnitt genauer beleuchten, dass die Spätfrostereignisse einen starken Einfluss hatten.

Feldsensorik: Erfassung des teilflächenspezifischen Mikroklimas
Im Weinhang Seußlitz ist in jeder MZ eine Sensorstation installiert, um das lokale Mikroklima sowie verschiedene Bodenparameter in hoher zeitlicher Auflösung zu erfassen und damit unter anderem Daten zur Evaluierung der Wasserhaushaltsmodellierung zu generieren (Graß et al., 2023). Eine Vielzahl an Sensoren misst in 5-30 Minuten Intervallen unterschiedliche atmosphärische und hydrologische Parameter. Dazu gehören unter anderen Luft- und Bodentemperatur, Windrichtung und -geschwindigkeit, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit, Saftfluss, Blattfeuchte, oder auch Bodenfeuchte.
Das Spätfrostereignis im April 2024 ist mit dieser Ausstattung erfassbar und lässt sich am besten aus den Lufttemperaturdaten ablesen. Diese werden alle 15 Minuten mit einer Genauigkeit von ±0.2°C in drei vertikalen Höhen von 0.1m (Stamm am Boden), 1m (Fruchthöhe) und 1.8m (oberes Ende Laubwand) gemessen um die Temperatur in allen Bereichen der Rebe zu erfassen. In Abb.2a sind Tagesmitteltemperaturen für das Jahr 2024 dargestellt. In der zweiten Aprilhälfte ist ein für diesen Zeitpunkt ungewöhnlich starker Temperatursturz erkennbar. Dieser fällt genau in den für Pflanzen empfindlichen Zeitraum der Blattentwicklung (BBCH 10-19), welcher 2024 schon recht früh im Jahr stattfand (DWD, 2025). Abb.2b beleuchtet dieses Frostevent für zwei MZ genauer: Die Temperatur fällt in der Nacht zum 23. April um 3:30 Uhr auf Minimalwerte von ca. -5°C am Rebstamm, ca. -3.5°C auf Höhe der Trauben und ca. -3°C am oberen Ende der Rebe. All diese Werte liegen insbesondere für junge Triebe und Knospen deutlich unter der Frostschädigungsgrenze von -2°C. Durch Zell- und Gewebeschädigung war in der Folge überall im Weinhang Blatt- und Knospenverlust zu beobachten. Hier gibt Abb.2c einen Eindruck zum Zustand der Weinstöcke am 30. April. Die meisten Jungtriebe haben das Frostereignis nicht überlebt. Hier werden mehrere Fragen interessant: Wie genau spiegelt sich dieses Ereignis in den Lesedaten wieder? Da die Pflanzen zum Ende April nun erneut in ein Austriebsstadium eintraten, sind hier deutlich unterschiedliche BBCH-Stadien innerhalb eines Rebstocks erkennbar?

Die Auswirkungen von Trockenstress, Spätfrost und Krankheitsdruck auf den Riesling-Ertrag
Um den Einfluss der bisher diskutierten klimatischen Umweltparameter auf die Riesling-Erträge im Weingut Seußlitz einschätzen zu können, ist es unerlässlich, auch einen Blick auf den Krankheitsdruck auf die Weinreben zu werfen. So standen die Winzer zum Beispiel im Jahr 2022 nicht nur vor der Herausforderung lang anhaltender Trockenheit und Hitze, sondern gab es auch eine mehrwöchige Nässeperiode mit insgesamt 123.9 mm Niederschlag und teils Hagel im Zeitraum von Ende August bis Mitte September. Das entspricht fast dem doppelten Niederschlag im Vergleich zur gesamten Wachstums- und Reifeperiode zuvor (71.5 mm). Dies verursachte stellenweise Fäulnis und Mehltau im gesamten Weinhang. Der Traubenverlust während der Lese belief sich laut Feldblatt auf etwa 8%. Vergleicht man die Leseerträge von 2022 mit denen von 2023 (Abb.3a) wird ersichtlich, dass auch das mittlere Traubengewicht 2022 weniger als die Hälfte im Vergleich zu 2023 beträgt. Die Mostgewichte lagen in allen MZ etwa 3-5°Oe unter denen von 2023. Das besonders ertragreiche Jahr 2023 war während der gesamten Vegetationsperiode durch gute Wachstumsbedingungen wie z.B. eine gute Wasserverfügbarkeit und somit geringen Trockenstress geprägt, was zu einer optimalen Fruchtentwicklung beitrug. Der Anteil der beschriebenen Ertragsunterschiede, der auf den Trockenstress im Dürrejahr 2022 oder auf Krankheitsbefall zurückzuführen ist, lässt sich hier jedoch nicht quantifizieren.
Mit Blick auf die Wasserverfügbarkeiten in Abb.1b sind die Jahre 2023 und 2024 vergleichbar für den Zeitraum der Fruchtentwicklung und man würde ähnliche Erträge erwarten. Dennoch zeigt sich hier eine deutliche Reduktion im Ertrag, was somit maßgeblich auf das Frostereignis am 23. April 2024 rückführbar ist. Gerade in MZ4/5 war die Fruchtausbildung erheblich beeinträchtigt und der Leseertrag ging um mehr als 75% im Vergleich zu 2023 zurück. An vielen Stellen wurden außerdem unterschiedliche Entwicklungsstände der Trauben als Reaktion auf das Frostevent beobachtet (Abb.3b). Die Frage, ob eine Nässeperiode vom 09.-16.09.2024 mit insgesamt 101.6mm Niederschlag ebenfalls einen Krankheitsdruck wie 2022 auf die Weinreben ausgeübt hat, wird aus den Lesedaten nicht ersichtlich. Auf Fotos und auch bei der Handlese war jedoch vereinzelt Fäulnis zu beobachten (Abb.3c).
Betrachtet man zusätzlich die räumlichen Unterschiede der Erträge innerhalb des Weinhangs für die Jahre 2022-2024 und nimmt gleichzeitig einen ähnlichen Ertragsverlust durch Krankheitsdruck im gesamten Weinhang an, wird ein immenser Unterschied im Leseertrag zwischen den in Kapitel 1 beschriebenen MZ-Gruppierungen sichtbar: MZ1/2 produzieren im Vergleich zu MZ4/5 ca. 50-100% mehr verwertbare Trauben, während MZ3 auf Grund seiner vorteilhaften Standorteigenschaften die höchsten Erträge aufweist.
Zusammenfassend wird ersichtlich: Der Spätfrost im April – zu einem Zeitpunkt, an dem der Austrieb vergleichsweise weit fortgeschritten war – hat die Weinbausaison im Jahr 2024 maßgeblich geprägt. Der Zusammenhang zwischen Temperatur, BBCH-Makrostadien und den Leseeträgen lässt sich aus unseren Daten eindeutig bestimmen. Nicht ganz so leicht einschätzbar ist der Einfluss von teilflächenspezifischer Wasserversorgung und Krankheitsdruck. Wir können zwar diese Aspekte durchaus beobachten und sehen auch Zusammenhänge zwischen unterschiedlicher Wasserversorgung und Vitalität mit dem Mostgewicht. Allerdings ist die Datenlage hierzu vielschichtig, schwierig interpretierbar und unterliegt dem Äquivalenzprinzip – nach dem Motto: Es könnte das eine oder das andere oder auch beides anteilig sein. Wir sind uns jedoch sicher: Ein umfassendes Datenmonitoring bietet hierbei wertvolle Unterstützung und macht detaillierte Analysen möglich.

Erkenntnisse und Ausblick
Für den Weinberg Seußlitz zeichnet sich ein gesamtheitlich komplexes Bild mit unterschiedlichen Einflussparametern auf Leseerträge ab. Die Datengrundlage zeigt zum Beispiel deutliche Unterschiede in der Wasserversorgung zwischen den einzelnen Teilflächen und deren Auswirkung auf den Reifeverlauf der Beeren. Hier gibt es einen qualitativ sichtbaren Zusammenhang zwischen Wasserverfügbarkeit für die Pflanzen und finalem Mostgewicht. Selbes gilt für die Pflanzenvitalität. Krankheiten wie Fäulnis oder Mehltau treten im Weinberg sporadisch auf und wirken sich auch deutlich auf die Erträge aus. Offen bleibt jedoch die Frage, welcher Anteil auf welche Ursache zurückzuführen ist. Eindeutig korrelierbar zum Ertragsverlust 2024 ist hingegen der Spätfrost im April.
Extremwetter ist also die große Herausforderung im zukünftigen Obst- und Weinbau: Klimawandelbedingte Änderungen in der jährlichen Temperaturverteilung verursachen Saisonalitätsverschiebungen (Holzkämpfer et al., 2020). Damit sind frühere Austriebe zu erwarten und das macht Pflanzen für Spätfrost angreifbar. Während allerdings Dürreperioden im Saisonverlauf durch gezielte Bewässerung entgegengewirkt werden kann, sind wirksame Frostschutzmaßnahmen vor allem eine Frage der Bezahlbarkeit und der Frühzeiterkennung von drohendem Frost. Ein kontinuierliches Witterungsmonitoring unterstützt landwirtschaftliche Betriebe hierbei effektiv und ist in Verbindung mit automatisierter Datenauswertung in Echtzeit und daraus resultierender Handlungsempfehlung (z.B. Frühwarnung per AlarmApp oder SMS) überaus hilfreich.
Weiterhin schafft weitreichendes Datenmonitoring die Möglichkeit zur detaillierten Analyse und Quantifizierung von Einflussparametern auf Trockenstress und Pflanzenvitalität. In Ergänzung zu Sensordaten ist die regelmäßige Aufnahme optischer Bilddaten, zum Beispiel durch Drohneneinsatz, denkbar. Eine umfassende Analyse aller Einflussfaktoren lässt sich in der Praxis derzeit jedoch nur bedingt umsetzen und es ist noch weitere Forschungsarbeit notwendig um Datengrundlage und Analyse praxistauglich zu optimieren. Unterm Strich sehen wir viele Vorteile im kontinuierlichen Monitoring verschiedenster Umweltparameter zur Unterstützung insbesondere mittlerer und größerer Betriebe. Genannt sei hier zum Beispiel die Zusammenführung und gemeinsame Betrachtung objektiver Messungen mit den langjährigen Erfahrungswerten der MitarbeiterInnen und Betriebsleitung. Ein weiterer wesentlicher Mehrwert liegt in der Erhebung lokaler Langzeitdaten. So können auch für das menschliche Auge versteckte Einflüsse und Zusammenhänge aufgedeckt werden – beispielsweise könnten ein Ertragsmodell oder eine KI-gestützte Datenauswertung zum Einsatz kommen. Wir sehen hier einen weiteren Experimentierbedarf, um herauszufinden, wie sich ein Datenmonitoring effizient in die Arbeitsabläufe auf Weingütern einbinden lässt.
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Hannes Mollenhauer
Erkundungstechnologien
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Der Umweltwissenschaftler Hannes Mollenhauer erforscht Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt und bringt detaillierte Kenntnisse über drahtlose Sensornetzwerke mit ins Team. In EXPRESS arbeitet er an einer kombinierten Nutzung bodengestützter Fernerkundung mit in-situ-Technologien zur Charakterisierung von Boden und Vegetation.
Literatur
Alain Deloire, Anne Pellegrino und Suzy Rogiers. A few words on grapevine leaf water potential. IVES Technical Reviews, vine and wine, 2020.
Annelie Holzkämpfer, Andreas Hund und Dario Fossati. Saisonalitätsänderungen und die Folgen für die Landwirtschaft. In Klimawandel und Jahreszeiten, Report der ETH Zürich, pp. 16-17, 2020.
Deutscher Wetterdienst (DWD): Phänologische Uhr, 2025. [letzter Zugriff: 04.02.2025]
Marco Hofmann, Robert Lux und Hans R. Schultz. Constructing a framework for risk analyses of climate change effects on the water budget of differently sloped vineyards with a numeric simulation using the Monte Carlo method coupled to a water balance model. Frontiers in Plant Science, 5, Dezember 2014. ISSN 1664-462X.
Uwe Meier. Entwicklungsstadien mono- und dikotyler Pflanzen: BBCH Monografie. Open Agrar Repositorium, Quedlinburg, 2018.
Rikard Graß, Hannah Boedeker, Marco Hofmann, Martin Schieck, Silvia Krug, Tino Hutschenreuther und Hannes Mollenhauer. Plot-specific drought stress simulation in vineyards using a microclimatic monitoring system in combination with a radiation and water balance model. In 2023 IEEE International Workshop on Metrology for Agriculture and Forestry (MetroAgriFor), pp. 343-347, November 2023.