Interviewreihe: Wie digital sind Obst- und Weinbau?
Die Potenziale digitaler Lösungen für die Landwirtschaft werden bereits seit Jahren hoch gehandelt. Doch wie weit ist die Praxis? Und wie ist es um die Innovationskultur in regionalen Betrieben bestellt? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat das EXPRESS-Team mit Expertinnen und Experten aus dem sächsischen Obst- und Weinbau gesprochen – unterwegs und aus dem Home-Office.
Aus gänzlich unvorhergesehenen Gründen befinden wir uns aktuell in einer Phase rasanter – weil notgedrungener – Digitalisierung. Nicht nur Schülerinnen und Schüler lernen digital von zuhause, auch viele Erwerbstätige befinden sich im Home-Office und müssen sich nun, wortwörtlich von heute auf morgen, mit verschiedenartiger Software zur Verrichtung und Organisation ihrer Arbeit auseinandersetzen. „Wie hältst du’s mit der Digitalisierung?“, lautet die Gretchenfrage dieser Tage.
Für die Landwirtschaft steht diese schon länger im Raum. Unter den Begriffen Smart Farming und Precision Farming lassen sich unterschiedliche Lösungsangebote zusammenfassen, deren gemeinsame Grundlage die digitale Datenverarbeitung ist. Wie bei allen innovativen Neuerungen ist das reine Vorhandensein der Technologie dabei noch keine hinreichende Bedingung für ihre Umsetzung in der Praxis. Hierfür braucht es Anwenderinnen und Anwender, die ihre Bedarfe gut kennen, Ressourcen investieren und neue Kompetenzen aufbauen können – alles vor dem Hintergrund politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen.
Blaupausen für bedarfsgerechte Digitalisierung
Mit EXPRESS wollen wir Blaupausen dafür liefern, wie die Einführung vernetzter, digitaler Technologien in Obst- und Weinbau gelingen kann, und welche Hemmnisse es zu beachten gilt. Im Rahmen unseres Arbeitspakets Wissenstransfer führen wir derzeit eine Reihe von Fachgesprächen durch, um mehr über den Status Quo in regionalen Betrieben zu erfahren. Dafür waren Juliane Welz und Valentin Knitsch quer durch Sachsen unterwegs – mit der Bahn, mit dem Fahrrad und sogar mit der Fähre – bis der Wechsel ins Home-Office das Ausweichen auf Online-Kanäle wie Telefon- und Videokonferenzen notwendig machte.
Bei den Interviews steht die Wahrnehmung der Landwirtinnen und Landwirte selbst im Fokus. Ihre Einschätzungen über das Für und Wider digitaler Technologien könnten Ansatzpunkte liefern, an welchen Stellen digitale Technologien im Obst- und Weinbau sinnvoll und bedarfsgerecht eingesetzt werden können. Über die Analyse technischer Machbarkeit hinaus geht es dabei zudem um weiterreichende Fragen. Mit welcher Entwicklung rechnen die Anwenderinnen und Anwender bei der Einführung digitaler Lösungen in ihren Betrieben? Wie viel Raum zu proaktivem Handeln haben sie überhaupt – und bis zu welchem Grad sind sie in ihrem Handeln von politischen Entscheidungen abhängig? Welche Zukunftsvisionen haben die Landwirtinnen und Landwirte für ihren Betrieb und welche Rolle messen sie digitalen Technologien bei? Auch die Kapazitäten zum Aufbau neuer Kompetenzen in Landwirtschaftsbetrieben werden im Rahmen der Interviews evaluiert.
Kompetenzen aufbauen – Hürden überwinden
Ziel der Fachgespräche ist es herauszufinden, auf welche technischen, betriebswirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen die Einführung digitaler Technologien im sächsischen Pflanzenbau trifft. Auf dieser Basis gilt es zu analysieren, welche Hürden bestehen und wie diese bestmöglich überwunden werden können. Im weiteren Projektverlauf dienen die Erfahrungen als ein Fluchtpunkt für die weitere Ausrichtung der Wissenstransferstrategie. Ist es ausreichend, technische Analysen digitaler Lösungen anzubieten? Oder bedarf es zunächst umfassender Schulungsmaßnahmen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fit für den Umgang mit neuartiger Technologie zu machen?
Zusätzlich werden die Interviews für die Erstellung von Meta-Analysen in den Themenfeldern Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Technologie genutzt. Für die interessierte Öffentlichkeit stellen wir einen Ergebnisbericht zum Download in unserer Infothek bereit, sobald die Auswertung abgeschlossen ist. Das wird voraussichtlich im ersten Quartal 2021 der Fall sein.